Organisationsverschulden in Kliniken – Wann haftet das Krankenhaus?

Organisationsverschulden in Kliniken

Ein medizinischer Fehler ist nicht immer das Ergebnis einer falschen ärztlichen Entscheidung. Häufig liegt die Ursache tiefer – in mangelhaften Abläufen, fehlenden Zuständigkeiten oder unzureichender Personalorganisation. In solchen Fällen spricht das Arzthaftungsrecht von einem Organisationsverschulden.

Arzthaftung-Organisationsverschulden

Für Patientinnen und Patienten bedeutet das: Nicht nur der behandelnde Arzt, sondern auch das Krankenhaus als Institution kann haften. Die Kanzlei Gesterkamp Rechtsanwälte Fachanwälte erklärt, was unter Organisationsverschulden zu verstehen ist, wann Kliniken verantwortlich sind und welche Ansprüche Betroffene geltend machen können.

Was bedeutet Organisationsverschulden?

Unter Organisationsverschulden versteht man einen Pflichtverstoß in der internen Struktur und Organisation eines Krankenhauses, der zu einem Behandlungsfehler führt oder diesen ermöglicht.

Das bedeutet: Nicht die falsche medizinische Entscheidung steht im Vordergrund, sondern das Fehlen oder Versagen funktionierender Organisationsabläufe – etwa in der Dienstplanung, Dokumentation, Materialbeschaffung oder Überwachung von Patienten.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu klargestellt: Der Krankenhausträger ist verpflichtet, eine sachgerechte Organisation zu schaffen, die eine ordnungsgemäße Behandlung der Patienten sicherstellt (BGH, 15.06.2010 – VI ZR 204/09). Wenn diese Pflicht verletzt wird, liegt ein Organisationsverschulden vor – und das Krankenhaus kann haften, auch wenn die behandelnden Ärzte formell korrekt gearbeitet haben.

Rechtliche Grundlage der Haftung

Die Haftung ergibt sich vorrangig aus dem Behandlungsvertrag (§§ 630a ff. BGB) i. V. m. § 280 BGB; Handlungen von Ärzten und Pflegekräften werden dem Krankenhausträger als Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB zugerechnet. Daneben kommt deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.

Wichtig ist: Der Krankenhausbetreiber hat umfassende Organisations- und Verkehrssicherungspflichten, die sich auf alle organisatorischen, technischen und personellen Maßnahmen erstrecken, die zur sicheren Behandlung notwendig sind, einschließlich Hygienemanagement (KRINKO/RKI-Standards) und verlässlicher Dokumentationsstrukturen.

Dazu gehören insbesondere:
• die Auswahl und Überwachung des Personals,
• klare Aufgabenverteilung und Dienstaufsicht,
• sicheres Hygienemanagement,
• verlässliche Dokumentation und Übergaben,
• funktionsfähige Geräte- und Medizinprodukteorganisation (Wartung/Prüfung).

Fehlen diese Grundlagen oder sind sie unzureichend, liegt Organisationsverschulden vor – und das Krankenhaus haftet auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Typische Beispiele für Organisationsverschulden in Kliniken

Fehlerhafte Personaleinteilung
Wenn in einer Notaufnahme zu wenig qualifiziertes Personal eingesetzt wird, obwohl mit hoher Patientenzahl zu rechnen war, kann dies ein Organisationsverschulden darstellen. Das gilt besonders für Nacht-, Wochenend- und Urlaubszeiten.

Mangelhafte Kommunikation
Kommunikationsfehler zwischen Stationen, Ärzten und Pflegepersonal zählen zu den häufigsten Ursachen für Behandlungsfehler (z. B. nicht weitergegebene Allergien/Unverträglichkeiten).

Fehlerhafte Hygieneorganisation
Nosokomiale Infektionen (z. B. MRSA) können auf unzureichende Hygienestandards oder deren Umsetzung zurückzuführen sein. Bei Abweichungen von anerkannten Standards (IfSG, KRINKO/RKI-Empfehlungen) droht Haftung.

Unzureichende Dokumentation
Fehlende oder lückenhafte Patientendokumentation kann ein Organisationsverschulden begründen. Dokumentationsdefizite führen in Prozessen regelmäßig zu Beweiserleichterungen zugunsten der Patientenseite.

Technisches Versagen durch mangelhafte Wartung
Geräteausfälle (Beatmungsmaschinen, OP-Technik, Infusionspumpen) können auf Organisationsmängel zurückgehen, wenn Wartungen/Prüfintervalle nicht eingehalten wurden.

Beweislast und Vermutungen zugunsten des Patienten

Grundsätzlich muss der Patient Fehler und Schaden durch den Fehler nachweisen. Bei Organisationsmängeln greifen jedoch Beweiserleichterungen: Stehen strukturelle Defizite im Raum (z. B. fehlende Dienst-/Hygienepläne, unklare Zuständigkeiten), trifft die Klinik eine sekundäre Darlegungslast. Sie muss ihre Organisation offenlegen (Dienstpläne, Protokolle, Übergaben).

Beweislast Organisationsfehler in Kliniken

Zudem enthalten § 630h BGB besondere Beweislastregeln (u. a. zu Aufklärung/Einwilligung, voll beherrschbaren Risiken und groben Fehlern), die – je nach Konstellation – Beweislastverschiebungen zugunsten der Patientenseite bewirken können.

Abgrenzung: Organisationsverschulden vs. ärztlicher Behandlungsfehler

AspektBehandlungsfehlerOrganisationsverschulden
VerantwortlicherArzt/BehandlerKlinikträger
UrsacheMedizinische FehlentscheidungStrukturelles/organisatorisches Versäumnis
Haftungsgrund§§ 630a ff., § 280 BGB (zzgl. § 823 BGB)§§ 630a ff., § 280 BGB i. V. m. § 278 BGB (zzgl. § 823 BGB)
BeweislastGrundsätzlich PatientSekundäre Darlegungslast der Klinik bei Organisationsmängeln
BeispielFalsche MedikamentendosierungFehlende Kontrolle/Organisation der Medikamentenausgabe

In der Praxis überschneiden sich beide Bereiche häufig (z. B. Fehler unter Überlastung wegen Personalmangels).

Bedeutung für die Klinikleitung

Krankenhausträger müssen funktionsfähige Organisationsstrukturen sicherstellen – unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen. Dazu zählen klare Hierarchien, regelmäßige Schulungen/Supervision, funktionsfähige Dokumentations- und Meldewege, internes Qualitätsmanagement sowie Medizinprodukterecht- und Hygienekompliance. Versäumnisse können neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben (z. B. fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB)

Schadensersatz und Schmerzensgeld für Betroffene

Bei Organisationsverschulden können Betroffene verlangen:
• Schadensersatz (Behandlungs-/Pflege-/Mehraufwendungen, Verdienstausfall),
• Schmerzensgeld,
• ggf. Rentenleistungen bei Dauerfolgen.
Die Höhe richtet sich nach Schwere und Dauer der Beeinträchtigung. Die Kanzlei Gesterkamp setzt Ansprüche außergerichtlich und gerichtlich durch.

Aktuelle Rechtsprechung

Die Gerichte betonen fortlaufend die Organisationspflichten der Kliniken. Grundlegend ist BGH. Jüngere höchstrichterliche Entscheidungen konkretisieren zudem Pflichten rund um strukturierte Abläufe und Nachsorgeprozesse. Zahlreiche OLG-Urteile der Jahre 2023/2024 stellen klar: Personalmangel, unklare Zuständigkeiten, fehlende Hygienedokumentation oder mangelnde Kontrollmechanismen können – je nach Einzelfall – Organisationsverschulden begründen 

Wie Betroffene vorgehen sollten

• Unterlagen sichern (Arztbriefe, Laborwerte, Übergabeberichte, Schriftverkehr)
• Gedächtnisprotokoll anfertigen (Ablauf, Beteiligte, Zeiten)
• Einsicht in die Patientenakte verlangen (§ 630g BGB)
• Medizinrechtlich spezialisierte anwaltliche Beratung einholen
• Erforderlichenfalls sachverständige Begutachtung veranlassen

Die Kanzlei Gesterkamp aus Lünen begleitet Sie von der Beweissicherung bis zur gerichtlichen Durchsetzung Ihrer Ansprüche 

Fazit

Ein Organisationsverschulden liegt vor, wenn die Klinik als Institution versagt – etwa durch mangelhafte Abläufe, fehlende Kontrollen oder unzureichende Hygiene. In solchen Fällen haftet nicht nur der einzelne Arzt, sondern der Krankenhausträger selbst. Sichern Sie frühzeitig Beweise und lassen Sie Ihre Ansprüche prüfen. Die Kanzlei Gesterkamp Rechtsanwälte Fachanwälte aus Lünen ist im Arzthaftungsrecht spezialisiert und unterstützt Sie kompetent bei der Durchsetzung Ihrer Rechte.


Sie vermuten, dass Ihre Gesundheit durch organisatorische Fehler im Krankenhaus geschädigt wurde? Kontaktieren Sie die Kanzlei Gesterkamp Rechtsanwälte Fachanwälte PartGmbB aus Lünen – wir prüfen Ihren Fall gründlich und vertreten Ihre Interessen entschlossen und rechtssicher.

👉 Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen mit Erfahrung und Fachwissen im Arzthaftungsrecht zur Seite – individuell, kompetent und lösungsorientiert.

K. Katharina Gesterkamp

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